Geld, viel oder wenig,  trennt uns in Arm, Reich und Super-Reich.
 

                                       

Geld oder Leben 

Leben verbindet uns mit Menschen, Tieren, Pflanzen, Luft, Wasser, Erde...
 
Dieser Essay erschien zuerst auf Rubikon
 

 
 
 
 
Das Problem mit dem Geld beginnt da, wo jemand Geld als höchsten Wert ansieht, wo Geldverdienen zum Sinn des Lebens wird und Geldausgeben zur Quelle des Glücks. Die Lage spitzt sich zu, wenn Leben, Umwelt, Klima, Natur, Freiheit, Fairness, Moral und Lebenszeit dem Geld geopfert werden. Da stellt sich die Frage:
Geld oder Leben?
Die Macht der Finanzwelt ist ungebrochen. Sie beruht auf einem falschen Verständnis dessen, was Geld ist und was passiert, wenn die Zahl, die das Geld beziffert, gegen unendlich geht. Systemfehler der Finanzwelt können wir nicht kurzfristig beseitigen, aber wir können die Folgen mildern durch Bankenkontrolle und durch eine neue Philosophie über den Sinn menschlicher Wirtschaft.

Einfach, schnell und bequem

Über die soziale Frage bei der Verteilung von Einkommen, über Pläne der Regierungen und über die globale Wirtschaft entscheiden fast immer die Finanzen. Der Finanzsektor ist deshalb so mächtig, weil man mit keiner Methode mehr und schneller Geld verdienen kann als mit finanziellen Transaktionen. Dabei wird stillschweigend vorausgesetzt, dass Geldverdienen für die Akteure von sich aus einen höheren Sinn hat.
 
Und Geld verdient man am besten mit Geld. Einfach, schnell und bequem. Voraussetzung: Man hat schon einen gewissen Sockelbetrag zur freien Verfügung, etwa 100 Millionen Dollar, Euro, Franken oder Pfund. Aus dieser Perspektive werden die materielle Lage der Menschen und Staaten und die reale, wertschöpfende Wirtschaft ziemlich uninteressant.

Dabei ist der hohe Wert des Geldes gegenüber anderen Gütern bei genauerer Betrachtung irrational. Geld ist nämlich im Überfluss vorhanden, etwa sechzigmal so viel, wie für alle laufenden Operationen nötig wäre, für die Geld benötigt wird. Abgesehen natürlich von den Spekulationen und Wetten im Finanzsektor.
 
Wenn es viel zu viele Tomaten auf dem Markt gibt, werden Tomaten billiger. Bei Geld ist das nicht so. Geld ist eben keine Ware und kein materieller Wert, sondern eine Zahl, die einen Marktwert nur symbolisiert. Entscheidend ist dabei die Akzeptanz. Wenn alle akzeptieren, dass ein Euro so viel wert ist wie ein Kilogramm Mehl oder ein halber Liter Rotwein, dann hat der Euro auch diesen Wert.
 
Die Akzeptanz des Geldes geht aber so weit, dass überall davon ausgegangen wird, 100 Milliarden Euro hätten auch den Wert von 50 Millionen Tonnen Tomaten, obwohl diese Zahl für Tomaten eine unsinnige Menge ist, die es nie geben kann und geben wird.
 
Schon erkennt man, dass auch die Geldmenge 100 Milliarden irgendwie fragwürdig ist. Und trotzdem ist sie in der Finanzwirtschaft eine allseits akzeptierte Größe, eben weil Geld eine Zahl ist und kein Wertgegenstand oder Konsumartikel.

Unendlicher Reichtum

Zahlen lassen sich bekanntlich immer weiter zählen, sie lassen sich bis ins Unendliche fortsetzen und auch immer wieder multiplizieren. Das kann jedes Kind: Indem es einfach am Ende der Zahl eine Null anhängt, verzehnfacht sich der Betrag. Die Zahl 1.000.000.000 = 1 Milliarde kann aber niemand mehr zählen, egal ob es Tomaten, Euro-Münzen, Sandkörner oder Krankheitserreger sind.
 
Man kann sich Zahlen oberhalb der Milliarde nicht wirklich vorstellen, nur Mathematik macht es möglich, dass wir damit operieren. Die Banker und Broker, welche mit solchen Geldsummen operieren, beherrschen entweder nicht genügend Mathematik, um die Folgen ihrer Transaktionen in der Größenordnung von Milliarden wirklich abzuschätzen oder aber sie nehmen diese Folgen bewusst in Kauf.
 
Die Finanz-Jongleure setzen im Kopf und auch in der Realität die ihnen so geläufige Zahl, die Geld bedeutet, einfach fort ins Unendliche, aber sie ignorieren die Mathematik unendlicher Folgen, namentlich die Infinitesimalrechnung, und haben damit gleich zwei grundsätzliche Probleme geschaffen:
 
1.) Die ständige Vermehrung der Geldmenge in einen völlig unsinnigen Bereich sowie
2.) die Forderung nach Wachstum der realen Wirtschaft ins Unendliche.

1. Problem:
Erschaffung von Geld aus dem Nichts

Die Geldmenge wird permanent und unkontrolliert vergrößert durch die sogenannte Giralgeldschöpfung. Daran sind fast alle Banken der Welt beteiligt. Sie sind in der Lage, durch Kreditvergabe Geld aus dem Nichts heraus zu schaffen, indem sie gleichzeitig eine Schuld zuweisen.
 
Wer sich bei der Bank 100.000 Euro für eine Eigentumswohnung leiht, denkt, die Bank hätte dieses Geld aus den Ersparnissen anderer Bürger im Tresor. Doch das gilt nur zu weniger als 10 Prozent. Das geliehene Geld ist zu mehr als 90 Prozent Buchgeld, welches die Bank nur verbucht und durch die entstehende Schuld buchtechnisch deckt.
 
Die Geldmenge wird durch die Giralgeldschöpfung vergrößert und gleichzeitig auch die Menge der Schulden. Dabei wachsen die entstehenden Schulden stärker an als die Geldmenge, weil (nach den bestehenden Regeln) Zinsen und Zinseszinsen anfallen. Dies schafft weitere Probleme, die hier aber nicht das Thema sind.

Das Gefährliche an diesem Vorgang der Giralgeldschöpfung ist, dass er völlig unkontrolliert erfolgt. Eine wirksame Bankenkontrolle durch die Staaten wurde weitgehend aufgehoben. Ein Versuch, dieses Privileg privater Banken wenigstens in der Schweiz durch einen Volksentscheid abzuschaffen, ist am 10. Juni 2018 gescheitert.
 
Man wollte in der Schweiz sogenanntes Vollgeld einführen, welches nur die Schweizer Notenbank generieren kann. Dass dieser Vorschlag abgelehnt wurde, lag unter anderem auch daran, dass die Abschaffung des Giralgelds mit einer weitergehenden Forderung gekoppelt wurde:

Die Schweizer Nationalbank sollte neu geschaffenes Geld schuldfrei in Umlauf bringen, das heißt, sie sollte es quasi verschenken. Das war eine etwas zu phantastische Idee, um eine Mehrheit zu finden.
 
Die Schweizer sind bekanntlich Realisten und hatten auch schon das bedingungslose Grundeinkommen abgelehnt. Genaueres über die Vollgeld-Initiative erfährt man im Interview mit Christoph Pfluger auf KenFM https://kenfm.de/christoph-pfluger-stop-fake-money/.

Was tun sie mit den Milliarden?

Eine negative Folge der zu hohen Geldmenge ist zum Beispiel, dass Groß-Geld-Besitzer, die keine besonderen Schulden haben, also Multimillionäre und Milliardäre, durch Geldtransaktionen ihr Vermögen ständig vermehren können. Dies geschieht beispielsweise dadurch, dass sie es an Staaten ausleihen, die ihnen Zinsen zahlen und überdies auch noch - wie die Euro-Gemeinschaft - die Stabilität des Geldes garantieren, was für eine Gewinnerzielung durch Zinsen Voraussetzung ist.
 
An diesem ständigen Transfer von Geld aus den Staatshaushalten auf die Konten der Superreichen nimmt niemand Anstoß. Im Gegenteil. Als der griechische Staat Konkurs erklären wollte, wurde dies von Seiten der Europäischen Zentralbank und des IWF verhindert, wodurch die Schuldentitel der Multimillionäre und Milliardäre gerettet wurden.

Man sprach von Griechenlandrettung, von Rettungsschirmen, von Euro- und Bankenrettung und von der Verhinderung eines Domino-Effektes. All dies sind kaum definierbare Phrasen, welche Tatsachen verschleiern oder unverständlich machen. Für Überschuldung ist in der Geschäftswelt ein Konkurs die klare Lösung. Die Verlierer sind dann in erster Linie diejenigen, die so viel Geld hatten, dass sie es in fragwürdige Kredite gesteckt haben. Dadurch wird Geld vernichtet und das ist bei dem aktuell riesigen Geldüberschuss begrüßenswert.
 
Ein weiterer Effekt der viel zu hohen Geldmenge - mit einem Drittel könnte man alle Güter der Welt, einschließlich Immobilien, erwerben - ist der, dass dieses Geld mit Vehemenz nach Anlage drängt. Es drängt auf den Finanzmarkt, wo jede erfolgversprechende Anlagemöglichkeit in Form von Aktien gleich nach dem Börsengang explodiert.
 
Erfolgversprechend ist an der Börse in erster Linie nicht der Gewinn oder die Aussicht auf einen Firmengewinn, sondern die Aussicht auf Kursgewinne. Diese treten jedoch fast automatisch ein wegen der riesigen Geldmenge, die zur Anlage bereitsteht und die Kurse nach oben treibt. Die zu hoch dimensionierte Geldmenge wandert automatisch in die Taschen der Geldanleger, ohne die reale Wirtschaft auch nur zu tangieren. Es ist lediglich die Frage, welcher Geldanleger mehr und welche Bank weniger davon profitiert.

So entstand in den 90er Jahren die Dotcom-Blase, die schließlich zusammenbrach, weil die möglichen Gewinne all dieser Firmen nur aus der Portokasse (für Werbung und Kommunikation) kommen konnten. Heute ist unter anderem Facebook an die Stelle der Blase getreten und verkörpert einen Börsenwert, der mit den Gewinnen und realen Besitztümern der Firma nicht zu rechtfertigen ist. Der Börsenwert von Facebook und ähnlicher Aktien resultiert aus dem immensen Bedarf nach Anlagemöglichkeiten.
 
Die Börse wird so zu einer Art Gewinnspiel der Superreichen, losgelöst von der Realität, sie wird zum Spielfeld für Zocker.
 
Das Geld in dieser Dimension ist also so etwas wie Spielgeld, es ist nicht mehr Tauschobjekt für den Erwerb von Waren. Das ist kein Wunder - die Geldmenge übersteigt den realen Gegenwert aller käuflichen Güter schon lange um ein Mehrfaches.

Ein Wunder ist eher, dass an der Basis bei den Kleinverdienern das Geld als Lohn immer noch so knapp gehalten werden kann. Um ihre Miete und ihren Lebensunterhalt zu sichern, arbeiten Menschen den ganzen Tag und ihr ganzes Leben lang für ein geringes Entgelt, ohne je ihrer prekären Lage zu entkommen. Die Haupterben von Herbert Quandt dagegen "verdienen" eine Viertelmillion Euro pro Stunde einzig und allein durch Vermögensverwaltung. Der Autor Paul Schreyer hat diesen Stundenlohn ausgerechnet und in seinem Interview auf KenFM präsentiert.

2. Problem:
Unendliches Wachstum

Das zweite Problem, das der Bankensektor als eine treibende Kraft in unserem Wirtschaftssystem geschaffen hat, ist noch wesentlich bedrohlicher. Mathematische Grundgesetze werden dabei wiederum sträflich ignoriert. Die Ideologie der Finanzwelt mit ihren Postulaten nach Zinsen und Rendite führt zu einem exponentiellen Wachstum der Realwirtschaft ins Unendliche.
 
Dadurch ist es bereits auf vielen Teilgebieten zu katastrophalen Auswirkungen gekommen: Klimawandel, Abfallprobleme, Überlastung der Meere, Umweltschäden jeder Art und nicht zuletzt Ausbeutung von Natur und Mensch.

Der Zwang zum permanenten Wachstum beginnt mit der Forderung nach einem Zins beim Geldverleih. Wenn mehr zurückgezahlt werden soll, als ausgeliehen wurde, muss irgendwo etwas hinzukommen.
 
Zudem wollen Firmen, die sich Geld für Investitionen leihen, am Ende auch einen Gewinn erzielen.
 
Die Forderung nach Zinsen und Gewinn kann bei einigermaßen stabilem Geld nur durch Wachstum erfüllt werden. Also muss die Wirtschaft wachsen - die Banken, die Unternehmen, die Staaten, sie alle fordern eine Wachstumsrate von wenigstens 2 Prozent. An der Börse sieht es noch krasser aus, dort erwartet man Kursgewinne von 5 Prozent und weit darüber hinaus.

An dieser Stelle setzt die Infinitesimalrechnung ein: Prozentuales Wachstum einer Zahl, in diesem Fall des Bruttosozialprodukts, führt bei ständiger Wiederholung zu einem exponentiellen Wachstum dieser Zahl ins Unendliche. Das ist eine mathematische Tatsache, die zwar den Bankern entweder unbekannt ist oder aber von ihnen ignoriert wird, die aber trotzdem immer und überall gilt.
 
Genauere Einzelheiten über das Unendlichkeitsverhalten von Exponential- und Wachstumsfunktionen wurden in meinem Artikel auf Rubikon vom 4. Mai 2018 https://rubikon.news/artikel/mathe-nachhilfe-fur-merkel erklärt (ebenso hier).

Das unendliche Wachstum kann bisher nur unkontrolliert unterbrochen werden durch Krisen, Kriege und andere Katastrophen. Und genau das geschieht auch immer wieder. Viele vom Menschen verursachte Krisen ließen sich jedoch gezielt vermeiden, indem man die Forderung nach prozentualem Wachstum der Wirtschaft endlich aufgibt.
 
Neben den Forderungen der Finanzwirtschaft nach Rendite existiert noch ein weiteres ernstzunehmendes Argument für Wirtschaftswachstum: das Anwachsen der Weltbevölkerung. Leicht lässt sich erkennen, dass auch dieses Wachstum nicht unbegrenzt fortgesetzt werden kann. Wie es jedoch einzudämmen oder zu begrenzen ist, darüber kann man heftig streiten. Immerhin stehen einer Geburtenkontrolle das Patriarchat, der Liberalismus und große Weltreligionen im Wege.

Den Hahn langsam zudrehen!

Unter den aktuell bestehenden Regeln im Finanzsektor lässt sich, wie schon gesagt, weder das exponentielle Wachstum der Wirtschaft noch die riesige vorhandene Geldmenge eindämmen. Wir wollen trotzdem nach Konzepten suchen, welche diese Entwicklung bremsen können.
 
Das Bewusstsein, dass es sich um Trends handelt, die in die falsche Richtung gehen, ist dabei eine erste Voraussetzung. Es gibt bereits zu viel Geld auf der Welt und weiteres prozentuales Wachstum der Wirtschaft führt automatisch in zahlreiche große und kleine Katastrophen. Wenn diese Erkenntnisse sich langsam durchsetzen, kann ein allgemeines Umdenken erfolgen.

Das erste Ziel muss sein, dass Staaten, Gemeinschaften oder wahlberechtigte Bürger den Finanzsektor, der die Trends vorgibt, unter ihre Kontrolle bringen.
 
Dazu war die Forderung der Schweizer Volksinitiative, dass nur die Schweizer Nationalbank Geld schöpfen können soll, ein guter Ansatz. Wenn auch die Geldmenge nicht leicht zu reduzieren ist - denn wie soll man Geld vernichten und wer will das schon - sollte man wenigstens die Giralgeldschöpfung durch private Banken eindämmen und am Ende ganz abschaffen. Dazu ist eine konsequente Bankenaufsicht oder -kontrolle erforderlich.
 
Von den Banken kann man bei der Geldschöpfung wesentlich höhere Rücklagen an Eigenmitteln verlangen. Nicht in der Größenordnung von unter 10 Prozent, sondern langsam steigend bis hin zu 100 Prozent. So kann man mit den Mindestrücklagen als Parameter die Giralgeldschöpfung durch Privatbanken Schritt für Schritt abschaffen. Dabei ist wichtig, dass (fragwürdige) Schuldentitel im Besitz der Banken nicht als Rücklagen anerkannt werden.

Geld in die Hand des Staates

Eine weitere Maßnahme, um die Geldmenge unter Kontrolle zu bringen, ist eine Vermögensabgabe oder -steuer, insbesondere für Vermögen oberhalb von 5 oder 10 Millionen und erst recht im Milliardenbereich.
 
Solche Geldvermögen sind von Natur aus unsozial und antidemokratisch, insbesondere dann, wenn die Staaten riesige Schulden haben. Durch diese Verschuldung werden die Staatshaushalte mit laufenden Zinszahlungen an die Reichen belastet und können so viele ihrer Aufgaben gegenüber der Allgemeinheit nicht mehr erfüllen.
 
Hierzu sei nebenbei erwähnt, dass die Forderung nach mehr Sicherheit immer an erster Stelle die Sicherheit großer Besitztümer meint, die aber keinen proportional angemessenen Beitrag dazu leisten.

Der Abbau von Staatsschulden durch Belastung großer Privatvermögen ist ein Ziel, dem nur wenige widersprechen dürften, weil nur wenige von dieser Belastung betroffen wären. Die Widerstände sind trotzdem gewaltig. Dem Finanzsektor ist es mit einer breit angelegten Kampagne zur Beeinflussung der öffentlichen Meinung gelungen, eine Ideologie zu verbreiten, die privaten Besitz über das Wohl der Allgemeinheit stellt. Gemäß Grundgesetz sollte genau das Umgekehrte gelten: "Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen." Und dies ist bei Weitem noch kein Sozialismus oder bloßer Neidreflex, sondern einfach Rationalität.

Die konstruktive Staatspleite

Wie lässt sich die Geldmenge tatsächlich verringern? Ein Ansatz dazu ist die Reduzierung der Schulden, denn der Schuldenberg ist noch höher als der Geldüberschuss. Schulden werden reduziert durch Schuldenerlass und Konkurs. Eine Staatspleite zu verhindern, ist kein Wert an sich. Nur für die beteiligten Banken und Geldgeber ist ein Vorteil erkennbar.
 
Bei einer Staatspleite kommt es im höchsten Maße darauf an, was danach passiert. Wenn alles so weiterlaufen soll wie bisher, macht ein Konkurs keinen Sinn. Die starke Fraktion derjenigen, die alles fortführen wollen wie bisher, ist deshalb (völlig unreflektiert) gegen Schuldenschnitt und Staatspleite.

Nach der Konkurserklärung einer Regierung braucht diese umgehend eigene Geldmittel, weil Steuergelder nicht sogleich sprudeln und von den Privatbanken keine Finanzierung zu erwarten ist. Eine moderne Lösung dieses Problems in einem Euro-Land wäre:

Eine degressive digitale Zweitwährung. Sie wird vom Staat ausgegeben, existiert nur auf Konten und Geldkarten und hat die Eigenschaft, dass sie in jeder Woche oder jedem Monat um einen bestimmten Anteil, sagen wir um 1 Prozent, weniger wird.

Das heißt, das Geld wird nicht weniger wert, sondern die Zahl des Geldguthabens wird um 1 Prozent geringer, und das gilt für jeden, der Geld besitzt. Es funktioniert also umgekehrt wie ein Zins.

Eine degressive Währung kann nie zu einer riesigen Geldmenge anwachsen, denn das Geld wird auf allen Konten und Geldkarten mit der Zeit automatisch weniger; es ist mit einem regelmäßigen Abschlag belegt. Das soll dazu führen, dass degressives Geld schnell ausgegeben und investiert wird.
 
Die Größe des Abschlags kann als Parameter dienen, mit dem der Staat, der die degressive Währung ausgibt, eine kontrollierte Inflation betreiben und so die Wirtschaft steuern kann. Der Antrieb geschieht dann von unten, von denen her, die regelmäßiges Geld als Gehalt, Lohn, Rente oder Sozialleistung erhalten, nicht von oben, von den Vermögenden her.
 
Schwächelt die lokale Wirtschaft, wird vom Staat mehr Geld ausgegeben und der Abschlag wird erhöht, damit das Geld schneller arbeitet. Eine degressive Währung ist also zutiefst demokratisch, während das bestehende Geldsystem durch Anhäufung von Reichtum in den Händen einiger weniger die Demokratie aushebelt und zu einer Oligarchie macht.

Die Idee der degressiven Zweitwährung ist mehr als hundert Jahre alt, sie stammt von Silvio Gesell, der dieses Geld Freigeld nannte. Es wurde realisiert durch Geldscheine mit einem Ausgabedatum, deren Wert immer neu berechnet werden musste. Trotz der Kompliziertheit wurde Freigeld auf lokaler Ebene in Österreich Anfang der 1930er Jahre mit Erfolg eingesetzt, bis der Staat es verbot, weil er das Währungsmonopol beanspruchte.
 
In der heutigen Zeit der Geldkarten und digital geführten Konten wäre eine degressive Währung viel leichter zu realisieren als mit speziellen Geldscheinen. Deshalb habe ich die Idee einer degressiven digitalen Währung neu als Lösungsansatz auf kritlit.de vorgestellt
http://kritlit.de/tdt/tdt.htm#ddm.

Geld oder Leben

Wachstum ist ein normaler Vorgang des Lebens. Ebenso normal ist es, dass jedes Wachstum von selbst irgendwann ausläuft. Geschieht dies nicht, wie im Fall von Krebszellen, handelt es sich nicht mehr um eine Lebensfunktion, sondern um eine tödliche Fehlentwicklung.
 
Die Wirtschaft können wir als Teil unseres Lebens ansehen; sie liefert alles, was wir zum Leben brauchen und darüber hinaus vieles, auf das wir gerne verzichten würden. Die normale Wirtschaft wächst in einem bestimmten Bereich, solange Bedarf da ist; ist kein Bedarf mehr da, hört sie auf zu wachsen.
 
Woher kommt aber das Postulat, dass die Wirtschaft als Ganzes, gemessen am Bruttosozialprodukt, prozentual immer weiter wachsen soll? Ist das nicht ein Postulat, das dem Leben zuwider läuft?

Wie eingangs schon dargestellt, kommt das Postulat aus der Finanzwirtschaft und beruht auf mangelndem Verständnis für - oder bewusster Ignoranz gegenüber - Zahlen, die gegen unendlich gehen. Selbst wenn wir die Wirtschaft als natürlichen Prozess des Lebens ansehen, ist das Geld selbst keine lebendige Sache, sondern eine von Menschen erfundene Zahl, die einen abstrakten Wert darstellt und von einer gewissen Größe an nur mit Mathematik zu verstehen und zu beherrschen ist.
 
Geld ist ein abstraktes Konstrukt, es unterliegt keinem natürlichen Verfall wie jedes "normale" Material, es begrenzt sich nicht von selbst wie Kraft oder Hunger. Geld ist tot wie Sand und Stein. Geld an sich ist auch nicht lebensnotwendig. Es hat keinen Wert außer im Kopf und im Handel der Menschen, die erst seit etwa hundert Generationen damit umgehen. Tausende Generationen vorher hatten kein Geld - und brauchten es nicht. Geld kann kein absoluter Maßstab für lebendiges Wirtschaften sein.

Wir müssen andere Werte als Maßstab für unser Wirtschaften finden, Werte, die dem Leben näher stehen. Ganz aktuell ist so ein Wert die Freizeit. Die Entwicklung der Industrie geht dahin, dass immer weniger menschliche Arbeit erforderlich sein wird, um die Produktion zu sichern.
 
Die Steigerung der Produktivität ist aber kein Fortschritt, wenn immer nur mehr Geld verdient werden soll. Geld sollte nicht das Ziel des Wirtschaftens sein, sondern ein Trieb- und Schmiermittel. Wenn weniger Arbeit erforderlich ist, sollte dies nicht dazu führen, dass mehr Profit auf der einen und mehr Arbeitslosigkeit auf der anderen Seite entstehen, sondern mehr Freizeit für alle, ganz besonders für diejenigen, die intensiv in der Produktion arbeiten.
 
Nicht eindimensionales Wachstum mit dem Parameter "Geld", sondern die Schaffung von mehr Lebensqualität wäre eine lohnenswerte Orientierung. Freizeit ist dabei nur ein Beispiel; hier tut sich ein weites Feld für kreatives Denken auf. Ziel sollte Wachstum in neue, lebendige Dimensionen sein - ohne die Maximierung einer Zahl, die wir frei erfunden haben und die wir nicht zum Leben brauchen.

 
 
 
 
Der vorstehende Artikel wurde für Rubikon verfasst. Dort möchte ich mich für die Veröffentlichung bedanken und für die sachkundige Text-Korrektur.
                     25.07.2018, Rob Kenius.